Die Tecklenburger Freilichtspiele werden immer jünger - und das, obwohl sie im nächsten Jahr ihr siebzigjähriges Bestehen feiern werden und man annehmen könnte, daß sie etwas "in die Jahre gekommen" sind. Aber mit einem weitgehend neuen Ensemble und dem jungen Regisseur MATTHIAS NOWACK, der schon im Vorjahr mit "My Fair Lady'' eine glückliche Hand bewies, ist neuer Schwung auf die Tecklenburger Bühne gekommen.
Mit der FLEDERMAUS hatte man sich auch diesmal einen nicht gerade kleinen "Brocken" ausgewählt. Doch Nowack hielt, wie Dr. Falke in der Operette, die Fäden fest in der Hand. Schon der Einfall, zur Ouvertüre die Vorgeschichte der "Fledermaus" tänzerisch darstellen zu lassen, war hübsch und überzeugend. Komödiantisch ausgestaltet und in den Dialogen spritzig zeigte sich auch der 1. Akt im Hause Eisensteins. Ganz ausgezeichnet gelang Nowack das Fest bei Orlowsky: Wenn etwa beim Hohelied auf den Champagner und dem sich anschließenden Verbrüderungsensemble alle an einer Tafel Platz nehmen und frontal zum Publikum singen und spielen, wird der Zuschauer in den turbulenten Trubel fast mit einbezogen. Die vom Tecklenburger Ballett nicht ganz perfekt, aber von ERSZEBET PALMAI-OROSZ pfiffig choreographierte Tanzeinlage fügt sich organisch ein, und auch der Chor wurde, abgesehen davon, daß er in diesem Jahr auch sehr ansprechend sang, als "Darsteller" einer ausgelassenen Festgesellschaft erfolgreich gefordert. Als Tausendsassa Eisenstein zeigte RÜDIGER BAUMANN überlegenes Spieltalent und sang mit schlankem, substanzreichem Bariton. Sein Duett mit Dr. Falke im 1. Akt war hinreißend. THOMAS APFEL gab den Drahtzieher Falke jungenhaft und im in wenig zu burschikos, überzeugte gesanglich aber vor allem in "Brüderlein und Schwesterlein". HELEN CENTNER war als Rosalinde nicht immer ganz textverständlich und sang zunächst auch mit etwas viel Tremolo, steigerte sich aber im Laufe der Aufführung. Auch ihr Verehrer Alfred, gesungen von NORBERT ROTTER, dessen Tenor im Eingangsständchen noch recht gequält klang, entwickelte erst im Schlußakt stimmlichen Charme. Mit frischem, koloratursicherem Sopran und präsentem Spielwitz zeigte BEATRIX SCHNEIDER-HOLZAPFEL als Adele den Männern, was eine Harke ist; SABINE SCHMIDT-KIRCHNER war ein fescher Orlowsky mit viel Ausstrahlung, FRED BANSE der gekonnt stotternde Dr. Blind. WALTHER HOFFMANN als Gefängnisdirektor Frank gefiel vor allem durch sein komödiantisches Spieltalent und seine Bühnenpräsenz, während man gesanglich doch einige Abstriche machen mußte. WERNER BRUGGEMANN war als Frosch trinkfest und pointensicher. Das Orchester der Freilichtspiele Tecklenburg wurde von CHRISTOPH HAAS zuverlässig und engagiert geleitet und hatte mit dem in der Umbaupause eingeschobenen Radetzky-Marsch besonderen Zuspruch.
Die besondere Attraktion der diesjährigen Freilichtspiele war aber die neue mobile Überdachung, die mit einer Fläche von fast 1200 qm den Zuschauerraum überdeckte. Die kühne, sehr teure Konstruktion ist architektonisch gelungen und dürfte den Reiz der Tecklenburger Freilichtspiele noch beträchtlich erhöhen
(7. 8.)
- WOLFGANG DENKER -
Tecklenburg. Champagner und Sprühregen ausschließlich für die Sängerinnen und Sänger gab es am Samstagabend auf der Freilichtbühne. Das Publikum konnte -oder musste - trocken die Premiere der Operette "Die Fledermaus" von Johann Strauß kein. Das Dach machte es möglich, das zumindest die Zuschauer vor Petrus Launen schützt, die nicht allzu sehr am Rand sitzen. Und weil der Regen leise fiel und alle unter dem riesigen Regenschirm Platz hatten, konnte man das neue Freilichtgefühl und die bekannten Melodien ungestört genießen.
Die Umsetzung auf die weis Naturkulisse der Freilichtbühne ist da nicht ganz einfach. Der Regisseur Matthias Nowack behilft sich wieder damit, aus der ganzen Anlage einen kleinen Teil, rechts hinten, wie eine Kammerspielbühne zu benutzen. Selbst beim großen Fest konzentriert er das Geschehen dort, während der Chor der Freilichtbühne die anderen Flächen mit Partyspielen nur optisch auffüllt.
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Die Darsteller kommen glänzend damit zurecht statt großer raumgreifender Aktion detailgenaue Charakterstudien abliefern zu dürfen. Fraglich ist nur, ob man auf den hinteren Plätzen so richtig genüßlich erkennen kann, wie etwa Werner Brüggemann aus dem Gefängniswärter Frosch einen westfälischen Schweijk hervorzaubert. Manches Kabinettstückchen ist schon für die vordersten Plätze zu weit weg.
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Tecklenburg. Eine doppelte Premiere feierten am Samstag die Freilichtspiele Tecklenburg. Im Duett garantierten die neue mobile Tribünenüberdachung - und das Tecklenburger Ensemble mit der Operette "Die Fledermaus" einen gelungenen Abend. Mit stimmungsvollen Walzerklängen versetzte der Dreiakter von Johann Strauß die zahlreichen Gäste In das Wien des 19. Jahrhunderts.
In einem bunten Spiel aus Eifersucht und Sehnsucht läßt die Fledermaus die Marionetten tanzen und treibt den ahnungslosen Eisenstein in den höchsten Rauschzustand. In der gelungenen Inszenierung von Matthias Nowack überzeugten besonders die beiden Darsteller des Dr. Falke und des Gabriel von Eisenstein, Thomas Holzapfel und Rüdiger Baumahn-. In ihrem Duett im ersten Akt und In den weiteren Soll legten sie Zeugnis von ihrer gesanglichen Klasse ab.
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Nicht zurückstehen hinter dieser Leistung mußte Helen Centner /Rosalinde Eisenstein), die mit volumigem Sopran Ihre Rolle voll ausfüllte. Ebenso. Beatrix Schneider-Holzapfel (Stubenmädchen Adele), die ihren großen Auftritt im zweiten Akt auf dem Ball des Prinzen von Orlowski hatte.
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Tecklenburg (stk). "Champagner hat's verschuldet"- wenn der Hausfreund statt des Hausherrn im Gefängnis landet wenn das Stubenmädchen zur Salonlöwin wird, die Hausherrin zur Taschen(uhr)diebin und der Gefängnisdirektor zum Chevalier. Verwirrungen und Verwicklungen in Sektlaune entsponnen, lösen sich bei Katerstimmung zum Happy-End auf. So geschieht's in der "Fledermaus" Johann Strauß' immerjungen walzerseligen Operette, die am Samstagabend 1000 Zuschauern auf der Freilichtbühne Tecklenburg ihre überdachte Premiere erlebte.
"Warum rächt sich die Fledermaus?" - die zentrale Frage setzte Regisseur Matthias Nowack mit Liebe zum Detail in Szene. In der schwungvollen Ouvertüre wird das Flanieren der Figuren vorgeführt. Christoph Haas wußte in bewährter Manier das Orchester zu m musikalischen Ohrenschmaus anzuleiten. Eine Augenweide ist dann das Maskenballtreiben auf der Bühne: Comedia dell'Arte-Figuren, Clowns und Larven umringen die Fledermaus Dr. Falke (in goldener "Superman"-Robe Thomas Holzapfel, überzeugend, charmant und stimmsicher) und Gabriel von Eisenstein, den Schmetterling (Rüdiger Baumann, strahlend und sympathisch). Eisenstein gibt Dr. Falke gezielt der Lächerlichkeit preis und dreht so unfreiwillig - den ersten Strick der Verwicklung.
"Einige Jahre später"-, im ersten Akt, spinnt Dr. Falke geschickt die Fäden seiner Rache. Ins Netz gehen ihm neben Eisenstein natürlich Rosalinde, dessen Gattin (Helen Centner meisterte ihren Riesenpart stimmlich souverän und spielerisch sicher) samt Hausfreund Tenor Alfred (herrlich tolpatschig und stets singend Norbert Rotter), auch um Gefängnisdirektor Frank (Wahltecklenburger Walter Hoffmann) zieht er die Schlinge zu.
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Das Tecklenburger Publikum ließ sich vom jungen, harmonischen Freilichtbühnenensemble gern entführen in die gänzlich unernste, wirklichkeitsferne, fast kitschige Operettenwelt des Johann Strauß, ließ sich mitreißen von den bekannten Melodien und sparte nicht mit Beifall.