Westfälische Nachrichten
vom 20.5.1996

Tecklenburg

Raffinierte Kostüme
und fetzige Musik

Trotz Regens: Gelungene Märchen-Premiere auf der Burgbühne

-kha- Tecklenburg. "Du weißt doch, was geschieht wenn man mich reizt" droht die e Westhexe dem Blechmann - und prompt passiert’s. Ein gewaltiger Schauer ergießt sich über die Freilichtbühne, und dem. Blechmann widerfährt wahrhaftig das, was er am meisten befürchtet: "Jetzt rosten meine Scharniere, und ich kann mich kaum noch bewegen." Das blieb die einzige nicht geplante Katastrophe bei der Premiere des Märchen-Musicals "Der Zauberer von Oz" gestern nachmittag.

Alle anderen Turbulenzen waren vorgesehen, und es gab deren nicht wenige. Radulf Beuleke hatte das über neunzig Jahre alte Werk des Amerikaners L. Frank Baum freilichtbühnengerecht umgearbeitet, Kai Schwirzke hatte eine moderne fetzige Musik geschaffen, ein Regisseur mit Tecklenburg-Erfahrung, Matthias Nowack, und ein versiertes Team von Bühnenbauern (Leitung Dieter Becker) und Kostümbildnerin (Pia Kriegerl, assistiert von Enke Burghardt) hatte vier Wochen mit dem engagierten Laienensemble gearbeitet, um das fantastisch-poetische Märchen von dem Mädchen Dorothee, das von einem gewaltigen Wirbelsturm ins Land Oz, entführt wird adäquat auf die Burgbühne zu versetzen. Es ist ihnen hervorragend gelungen.

Das Stück bietet einen wahren Augenschmaus. Auf Realismus legt die Kostümbildnerin mit Recht keinen Wert. Sie bietet immer wieder neue Reize mit raffiniert entworfenen Kleidern, ja wahren Roben. Einen Farbenrausch entfacht sie im Lande Oz. Der Zauberer und seine Bedienten sind eine Rhapsodie in Grün, die selbst die Natur der Bühne in den Schatten stellt. Der Löwe in Gelbbraun mit imponierendem Haupt und weitem Purpurmantel, der Blechmann natürlich silbern glänzend, die Hexen nicht in Lumpen, sondern in schillernden Gewändern mit imposanten Kopfbedeckungen.

Der Regisseur führt die Laiendarsteller behutsam, mit Sinn für den weiten Bühnenraum und einem guten Gespür für’s richtige Timing. Annette Banse ist eine bezaubernde Dorothee, mit entzückender Stimme und natürlicher Beweglichkeit. Als Hexen von unterschiedlichem Temperament agieren Sigrid Holthaus die herrlich fiese Westhexe

[...]

Doch was wäre der Zauberer von Oz ohne eine wahrhaft gewaltige Titelfigur. Die ist in Tecklenburger Inszenierung eine Mischung aus gewaltigem Ei und riesiger Drachenschnauze mit einer Höhe von fast vier Metern - Horst Dieler ist des Drachen Kern, er leiht ihm seine durch Halleffekte verstärkte Stimme. Überhaupt die Technik - sie gelingt den Tecklenburgern inzwischen unaufdringlich perfekt. Tonprobleme gehören der Vergangenheit an.

So ist es denn verständlich, wenn die über 500 Zuschauer am Schluß der Vorstellung begeistert applaudieren, obwohl sie wegen der Regenpause mehr als zwei Stunden auf der Bühne verbracht haben. "Die Abendvorstellung sehe ich mir auf jeden Fall auch noch an," meinte eine Zuschauerin auf dem Weg herab vom Burgberg,

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