DIE WELT
Samstag, 27. Juli 1985 - Nr. 172 -

HAMBURGER KULTURBERICHTE

Die verkaufte Ehefrau

Jacques lberts Einakter "Angelique" im 'tik'

Eine Gruppe junger Künstler, die meisten von ihnen noch im Studium an der Musikhochschule, entdeckte auf der Suche nach einem geeigneten Einakter "Angelique" von dem französischen Komponisten Jaques Ibert (1890-1962). Dem 1926 komponierten Stück liegt ein Libretto zugrunde, über dessen Verfasser unter dem Pseudonym "Nino" bis heute nichts Näheres bekannt ist, als daß er auch der Autor von Iberts zweiaktiger Oper "Persée et Androméde" war, für Manuel Rosenthal die opéra bouffe "Rayon des Soiries" schrieb und in den dreißiger Jahren auch ein Ballett, Chansons und eine musikalische Komödie verfaßte. "Angelique" wird im Untertitel als "Farce" bezeichnet. Der Einakter ist nur bedingt dem Opern-Genre zuzurechnen, denn es ist weitgehend ein Sprechstück mit spärlich verteilten, gesungenen Einlagen. Die jungen Sänger hatten also viel zu sprechen bei da Aufführung im 'tik’ in der Kunsthalle. Gesprochenes ist bekanntlich selbst für gestandene Gesangsprofis oft eine Verlegenheitsklippe.

Der junge Regisseur Matthias Nowack suchte sein Heil bei der in einer französischen Hafenstadt spielenden Farce von der verkauften Ehefrau in der Stilisierung des Grotesken. Das gelang ihm und seinem Team treffend in den marionettenhaft inspirierten Bewegungen der Darsteller. Nowack bewies viel Talent für präzise, fast choreographische Gruppen-Aktionen, auch beim Chor der neugierigen Nachbarn: eine Sache mit Witz und Pfiff, sehr hübsch ausgestattet von Barbara Wentz.

Die gesprochenen Dialoge hatten mitunter einige Längen, doch nicht bei Gerd Schulte, dem Star der gelungenen Aufführung. Hervorragend mimte er den Drahtzieher Charlot, der den geplagten Ehemann Boniface (Volkmar Ziemens) dazu animiert, seine schreckliche Angelique (Mechthild Kassenberg) zu veräußern, die aber keiner, der sie kauft, behalten will, weder der gesangskräftige Italiener (Hans Stangenberg), noch der Lord (Mark Lyndon) oder der Mohrenkönig (Karsten Wabersinke), nicht einmal der Teufel (Helmut Rick), der sie geholt hat.

Dirigiert von Stephan Tetzlaff, mit Susanne Weinmann und Markus Fohr an zwei Flügeln, kam die musikalisch präzise Aufführung zum Happy-End und erhielt viel Beifall.

GEORG BORCHARDT

Historisches